Subsidärer Schutz für Syrer - was nun

1.
Nur subsidiärer Schutz für Syrer*innen und keine Flüchtlingsanerkennung: Klagen oder nicht?

Das Bundesamt hat in diesem Jahr nach längerer Zeit wieder die ersten Bescheide erlassen, in denen Syrer*innen nur subsidiärer Schutz und nicht die Flüchtlingsanerkennung gewährt wurde.

Die Unterschiede sind im Wesentlichen folgende:

Paß:
Mit einer Flüchtlingsanerkennung erhält man einen Flüchtlingspass (sog. blauer Paß, auch: Genfer Konventionspaß genannt).
Mit subsidiärem Schutz bekommt man diesen Paß nicht und nur ganz ausnahmsweise einen Reiseausweis (sog. grauer Paß). Grundsätzlich muß man zur syrischen Botschaft und dort einen Paß beantragen, wenn man keinen mehr hat oder der Paß abgelaufen ist. Ansonsten kann man nicht reisen. Die Aufenthaltskarte wird zwar als Ausweisersatz in der Bundesrepublik angesehen, man kann damit aber nicht in ein anderes Land reisen.

Dauer der Aufenthaltserlaubnis:
Mit einer Flüchtlingsanerkennung erhält man eine Aufenthaltserlaubnis für 3 Jahre.
Mit subsidiärem Schutz erhält man zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für 1 Jahr, dann für 2 Jahre und dann nochmals für zwei Jahre. Es ist also nicht so, dass man nach einem Jahr das Land verlassen muß, man erhält nur weiterhin befristete Aufenthaltserlaubnisse.

Widerruf:
Beide Anerkennungen können widerrufen werden, wenn in Syrien wieder alles in Ordnung ist, so lange noch keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Das ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Auch mit subsidiärem Schutz werden sich alle Syrer*innen voraussichtlich weiterhin dauerhaft in Deutschland aufhalten können.

Niederlassungserlaubnis:
Mit einer Flüchtlingsanerkennung kann man nach drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (sog. Niederlassungserlaubnis) erhalten, und zwar im Moment noch voraussetzungslos, man muß also nur drei Jahre im Besitz der Aufenthaltserlaubnis als anerkannter Flüchtling sein. Änderungen sind im geplanten Integrationsgesetz aber bereits vorgesehen (Erfordernis von Integrationsleistungen).
Mit subsidiärem Schutz kann man nach fünf Jahren eine Niederlassungserlaubnis erhalten, wenn man die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt (also z.B. Lebensunterhaltssicherung, 60 Monate Pflichtbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung, ausreichende deutsche Sprachkenntnisse Niveau B1, ausreichender Wohnraum für alle Familienmitglieder u.a.). Die Anforderungen sind also relativ hoch, allein für die 60 Monate Pflichtbeiträge muß man ja 5 Jahre rentenversicherungspflichtig gearbeitet haben.

Wohnsitzauflage:
Mit der Flüchtlingsanerkennung gibt es im Moment noch keine Wohnsitzauflage (ist aber in den nächsten Gesetzesänderungen geplant, es ist aber umstritten, ob diese Auflage für anerkannte Flüchtlinge rechtmäßig verhängt werden kann).
Mit subsidiärem Schutz bekommt man in der Regel eine Wohnsitzauflage (solange man Sozialleistungen bezieht und noch keine Arbeit hat), man muß also in der Stadt/in dem Landkreis bleiben, wo man sich bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis befunden hat.
Die Wohnsitzauflage für subsidiär Geschützte kann allerdings erfolgreich gerichtlich angefochten werden, wenn sie ohne Begründung oder mit der Begründung des Bezugs von Sozialleistungen verhängt wird (Klagefrist: 1 Monat nach Erteilung, wenn eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt ist, meistens nicht der Fall, dann 1 Jahr nach Erteilung).

Familiennachzug:
Mit einer Flüchtlingsanerkennung erhält man voraussetzungslosen Familiennachzug, wenn der Antrag rechtzeitig, also binnen drei Monaten ab Anerkennung, gestellt wird.
Für subsidiär Geschützte, denen nach dem 17.03.2016 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, ist der Familiennachzug nun ausgesetzt bis zum 16.03.2018, also für zwei Jahre. Die Dreimonatsantragsfrist beginnt dann wieder ab dem 16.03.2018 zu laufen – falls der Gesetzgeber die Aussetzung nicht weiterhin verlängert.
Wir halten diese Aussetzung für rechtswidrig und würden empfehlen, die Visaanträge trotzdem zu stellen und gegen eine Ablehnung zu klagen (dann sollte aber überlegt werden, ob man nicht auch gleich auf die Flüchtlingsanerkennung klagt).

Sozialleistungen, Arbeitserlaubnis:
Hier gibt es keine Unterschiede zwischen der Flüchtlingsanerkennung und dem subsidiären Schutz.

Hinweise für die Beratung:
Die Syrer*innen, die nun lediglich subsidiären Schutz erhalten haben, haben beim Bundesamt auf die Frage, was sie bei einer Rückkehr nach Syrien befürchten, keine konkreten Befürchtungen geäußert, sondern z.B. mitgeteilt, sie wollten immer schon nach Deutschland oder sie seien nur wegen des Krieges weg.
Wichtig ist, dass in der Anhörung deutlich wird, dass man aus begründeter Furcht vor Verfolgung Syrien verlassen hat.

Erfolgsaussichten Klageverfahren:
Wir halten die Erfolgsaussichten für eine Klage auf Flüchtlingsanerkennung für sehr gut. Die Verwaltungsgerichte sind bisher immer überwiegend davon ausgegangen, dass auch Syrer*innen, die „nur“ vor dem Krieg geflohen sind, vom syrischen Regime als Oppositionelle angesehen werden, wenn sie das Land länger verlassen haben. Damit droht ihnen bei einer Rückkehr wahrscheinlich Verfolgung, Verhaftung und Folter. Das reicht für die Flüchtlingsanerkennung aus. Da sich beim syrischen Regime nichts geändert hat, gehen wir davon aus, dass die Verwaltungsgerichte auch weiterhin so entscheiden werden.

Kosten Klageverfahren:
Die Kosten für eine Klage auf Flüchtlingsanerkennung betragen ungefähr 1.000,-- € (für eine Person, bei Familien ca. je 100,-- € mehr je Familienmitglied), wenn ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattfindet (ist oft nicht der Fall, weil es in der Regel um eine Rechtsfrage geht). Bei uns muß ein Vorschuß in Höhe von 300,-- € bezahlt werden, der Rest kann in Raten bezahlt werden. Wir werden allerdings auch Prozeßkostenhilfe beantragen. Wenn diese gewährt wird, müssen hier keine Raten mehr bezahlt werden (aber die Prozeßkostenhilfe muß später unter Umständen erstattet werden, falls der Kläger dann über höhere Einkünfte verfügt).
Wenn die Klage erfolgreich ist, werden die Kosten aus der Staatskasse bezahlt. Die bis dahin bezahlten Vorschüsse werden dann zurückerstattet.

Unsere Empfehlung:
Wir raten jedenfalls allen Syrer*innen auf eine Flüchtlingsanerkennung zu klagen, die noch Familie (Ehegatten und minderjährige Kinder) nachholen möchten.
Allen anderen raten wir zu einer anwaltlichen Beratung (bevor die Klagefrist abläuft), damit die Folgen einer Entscheidung für oder gegen die Klage ausführlich erörtert werden können.

2.
Kosten Familiennachzug

Der Familiennachzug kann u.a. folgende Kosten verursachen: Paßbeschaffungskosten, Visagebühren, Kosten für DNA-Test, Kosten für die Überprüfung von Urkunden, Impfkosten, Krankenversicherung, Flugtickets. Die Botschaften tragen diese Kosten nicht. Vielen Antragstellern geht da schnell das Geld aus.

Diejenigen, die SGB II-Leistungen vom Jobcenter erhalten, können dort einen Antrag zumindest auf darlehensweise Leistungen stellen. Wichtig: Es gibt keine pauschalen Leistungen oder Vorschüsse vom Jobcenter, die Höhe der Beträge, die erforderlich sind, muß soweit möglich gut nachgewiesen werden.

Aber auch für die, die schon Geld verdienen, bei denen es aber nicht reicht, gilt:
Die Kosten der Familienzusammenführung stellen sozialrechtlich einen Sonderbedarf dar. Das heißt, daß der Betroffene in dem Moment, wo er die Familienzusammenführung durchführen möchte, einen höheren Bedarf hat als sonst (eigener Lebensunterhalt zzgl. Wohnungskosten). Wenn dafür das Einkommen nicht ausreicht, muss das Jobcenter entsprechende Leistungen gewähren.

Es besteht ein Anspruch auf den Familiennachzug, der nicht aus finanziellen Gründen vereitelt werden darf.
Falls das Jobcenter den Antrag ablehnt, schicken Sie die Flüchtlinge bitte mit dem Ablehnungsbescheid zu Rechtsanwalt Schank zur Beratung.

3.
Familiennachzug ohne Pässe

Leider stellen manche Flüchtlinge keine fristgerechten Anträge, weil sie denken, der Familiennachzug gehe nicht ohne Paß (insbesondere Syrer*innen). Die Visaanträge für den Familiennachzug können aber auch ohne Pässe gestellt werden (das ist ja in der Regel immer der Fall z.B. bei den Somalier*innen, Eritreer*innen). Das Verfahren kann dann zwar länger dauern, geht aber trotzdem.

Man sollte dann alles einreichen, was man hat (Heiratsurkunden, Geburtsurkunden, Auszüge aus dem Familienregister usw.) Das Visum kann auch ohne Paß erteilt werden, dann wird ein Reisedokument ausgestellt.

Nur wenn die familiären Bezüge nicht nachgewiesen sind, verlangt die Botschaft DNA-Tests. Diese kosten zwar Geld, werden aber in der Regel mittlerweile relativ schnell und unbürokratisch durchgeführt und beweisen dann die Eltern-Kinder-Verwandtschaft.

4.
Dauer der Visaverfahren

Die Visaverfahren zum Familiennachzug insbesondere für die Syrer*innen (aber z.B. auch für die Eritreer*innen über die äthiopische Botschaft in Addis Abeba) dauern gerade sehr lange. Wir werden daher immer wieder gefragt, ob es sich lohnt, eine anwaltliche Vertretung zu beauftragen und was das kostet.

Bei uns kostet das Visumsverfahren (komplett von der Antragstellung bis zur Einreise) ca. 500,-- € für das erste Familienmitglied und je 100,-- € für jedes weitere Familienmitglied. Der Betrag kann in Raten bezahlt werden.

Wir können das Verfahren soweit beschleunigen wie möglich und auch ein paar bürokratische Probleme lösen – wir bekommen aber in der Regel keine schnelleren Termine, d.h. die Beauftragung macht keinen Sinn, falls sich der Mandant davon verspricht, dass seine Familie einen schnelleren Termin bei der Botschaft erhält.

Wir können frühere Termine nur dann erfolgreich verlangen, wenn wir einen besonderen Härtefall nachweisen können, also z.B. schwangere Ehefrau, schwer krankes Kind, unbegleitetes minderjähriges Kind usw.
Weil gerade alle lange auf den Familiennachzug warten, ist z.B. die Tatsache, dass Frau und Kinder allein schon lange im Libanon warten, kein besonderer Härtegrund.

5.
Verreisen mit syrischen Pässen

Manche syrischen Flüchtlinge haben ihre Pässe noch, verlangen sie nach Anerkennung bei der Ausländerbehörde zurück oder gehen sogar zur Ausstellung oder Verlängerung zur Botschaft.

Bisher war das Hauptargument dafür, dass man mit dem syrischen Paß visumsfrei in die Türkei reisen (also die Kosten für das Visum sparen) konnte. Soweit wir wissen, verlangt die Türkei aber nun auch Visa von Syrer*innen.

Das Benutzen des syrischen Passes ist gefährlich und kann zum Erlöschen der Flüchtlingsanerkennung führen. Wenn ein syrischer Paß beantragt oder benutzt wird, bedeutet dies, dass der anerkannte Flüchtling sich damit erneut dem Schutz des syrischen Staates unterstellt und eine berechtigte Furcht vor Verfolgung damit nicht mehr besteht. Die Ausländerbehörde kann dann den Anerkennungsbescheid, den Flüchtlingspaß und die Aufenthaltskarte zurückfordern.

Entdeckt werden kann die Benutzung des syrischen Passes z.B., wenn man ausreist und bei der Wiedereinreise kontrolliert wird und dann auch die (neuen) Stempel im syrischen Paß festgestellt werden. Die Bundespolizei kann die Tatsache, dass der anerkannte Flüchtling seinen syrischen Paß benutzt hat, an die zuständige Ausländerbehörde weitermelden.

Die Flüchtlingsanerkennung erlischt auch, wenn man nach Syrien reist (was einige Flüchtlinge tun, weil sie ihre Familien dort rausholen möchten).

Wir raten also eindringlich davon ab, als anerkannter Flüchtling den syrischen Paß zu benutzen bzw. einen neuen zu beantragen oder einen alten verlängern zu lassen.

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